Bildung und Erziehung
Universität Wien
Lehrgang: „Muslime in Europa“
Semester: WS 2009/2010
Lehrveranstaltung: „Bildung und Erziehung in Österreich“
Lehrende: Univ.-Prof. Dr. Horst Pfeiffle - Abteilung für Bildungswissenschaft
Student: Erkan Erdemir
Abgegeben am: 30.01.2010
Bildung und Erziehung
Die Wissenschaft hat keine eindeutige Antwort auf die Frage, was Bildung und Erziehung bedeuten. Heutzutage gibt es dutzende von Erziehungs- und Bildungsbegriffen und –theorien. Trotz allem wird nun versucht diese Begrifflichkeiten zu erläutern und dabei die islamische Perspektive der Begrifflichkeiten mit einzubeziehen.
Der Bildungsbegriff ist das Eigentum der deutschen Sprache. Das englische Wort „education“ war schon in der Antike benutzt worden. Allerdings wurde dort schon zwischen "educatio" (Aufzucht: Disziplinierung, Zivilisierung) und "eruditio" (Entrohung: Kultivierung der Seele und des Geistes) differenziert (Unsere Jugend 1999, S. 527). In der Geschichte hat der Bildungsbegriff eine Vielzahl von Bedeutungen erhalten.
Der Bildungsbegriff im Deutschen hat einen mystischen Hintergrund und entstand im 14. Jahrhundert als „Aktualisierung der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, als Wiedergebildetwerden in Gott, als Wiedervereinigung mit Gott aus Gottes Gnade. Beispielsweise meinte Meister Eckhart (1260-1327) mit "Bilden" das "Einbilden" des Bildes Gottes in die menschliche Seele.“ (Xochellis 1973, S. 16).
Der "klassische" Bildungsbegriff wurde am Anfang des 19 Jahrhundert entwickelt. Wilhelm von Humboldt (1767-1835) schrieb, "der wahren Moral ist das erste Gesetz: bilde dich selbst, und nur ihr zweites: wirke auf andere durch das, was du bist" (Reble 1971, S. 186f.). Für Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) war die allgemeine Menschenbildung vorrangig: die Bildung sollte den "Kopf" (intellektuelle Bildung), "Herz" (sittliche bzw. emotionale Bildung) und "Hand" (Fertigkeiten, Körperbeherrschung usw.) umfassen. Daneben war für ihn die Berufsbildung sehr wichtig, weil diese den Menschen für seine Lebensaufgaben tüchtig machten. (Unsere Jugend 1999, S. 528).
Die Anfänge islamischer Bildung geht zurück bis zu dem Propheten Muhammed, als dieser vom Erzengel Gabriel die ersten Verse des Qurans offenbart bekommen hat: „Lies im Namen deines Herrn, Der erschaffen hat, den Menschen erschaffen hat aus einem Anhängsel. Lies, und dein Herr ist der Edelste, Der (das Schreiben) mit dem Schreibrohr gelehrt hat, dem Menschen gelehrt hat, was er nicht wusste.“ (Quran: 96:1-5). Das erste Wort, was Muhammed offenbart wurde, war: "Lies". In derselben Sura ist von "Schreibschrift" die Rede, d. h. bereits die aller erste offenbarte Sura spricht das Lesen und Schreiben an. Die Muslime wurden seither zum Wissenserwerb motiviert. Der Prophet Muhammed begann selber mit der Errichtung von Schulen. Das islamische Bildungssystem erreichte einen hohen Standard. Schon im 9. Jahrhundert waren islamische Universitäten auch für die Europäer ein Anziehungspunkt. „Während in Europa Bücher als Rarität in den Klöstern unter Verschluss gehalten wurden, waren die islamischen Bibliotheken mit Millionen von Büchern angefüllt. Allein die Bibliothek von Cordoba hatte einen Bücherbestand von nahezu einer halben Million.“ (Islam und Wissenschaft, Islamisches Zentrum München, )
Die Religion des Islam fordert den Menschen dazu auf, die Umwelt zu erkunden, um die eindeutigen Zeichen der Schöpfung zu sehen, um den Glauben an Gott zu stärken. Auch die Überlieferungen des Gesandten Muhammed über Erwerb von Wissen sind für Muslime verbindend: „Wissen ist ein verlorerenes Gut. Eignet euch das Wissen an, sei es sogar in China (als Ausdruck für die weite Entfernung)“.
Im Verlauf der Geschichte hat auch der Erziehungsbegriff viele Bedeutungen erfahren. Man kann oft Überschneidungen mit dem Bildungsbegriff festzustellen. „Erziehung erfolgt aufgrund der "Erziehungsbedürftigkeit" des Menschen und ist nur aufgrund seiner "Erziehbarkeit" möglich. Sie ist somit eine notwendige Hilfe zur Menschwerdung. Erziehung bezieht sich im Gegensatz zur Bildung mehr auf das (soziale) Verhalten und die diesem zugrundeliegende Einstellungen, Werthaltungen, Regeln und sittlichen Grundsätze - somit also auch auf den Charakter und das Gewissen des Kindes ("Sozialerziehung", "moralische Erziehung") (Unsere Jugend 1999, S. 531).
Die Erziehung im Islam fängt daher schon im Mutterleib an. Von der Geburt an bis zum Tod ist der Mensch mit verschiedenen Erziehungsmustern konfrontiert. Das Ziel der Erziehung im Islam ist es einen guten vernünftigen Menschen zu erziehen, der gottgefällig lebt und dabei sich und den anderen in der Gemeinschaft nützlich ist.
Literatur
Textor, Martin R: Unsere Jugend 1999, 51 (12), S. 527-533; Ernst Reinhardt Verlag, München/Basel
Reble, A.: Geschichte der Pädagogik. Stuttgart: Klett 1971
Xochellis, P.: Pädagogische Grundbegriffe. Eine Einführung in die Pädagogik. München: Ehrenwirth 1973
Islamisches Zentrum München: Islam und Wissenschaft.
https://islamisches-zentrum-muenchen.de/html/islam_-_islam_und_wissenschaft.html (aufgerufen am: 26.01.10, 22:41 Uhr)